Ein Regentag für eine kleine Zeitreise


Heute Morgen ist um kurz nach sieben Uhr die Nacht für mich und viele andere unseres Erasmus+ Projekts vorüber, und das obwohl wir eigentlich ein bisschen länger schlafen könnten. Ein kräftiger Donnerschlag, der ein Alpengewitter locker in die Tasche stecken kann, schmeißt viele Menschen in der Region aus den Betten. Draußen schüttet es wie aus Kübeln und die Temperaturen sind vom Sommer ohne Zwischenschritt in den Spätherbst abgerutscht. Ungemütlich ist es draußen, sodass unser Plan, den Tag heute zumindest mal indoor zu beginnen, die richtige Entscheidung ist. 

Also treffen wir uns zur Mittagsstunde mit den Rumänen im Herzen Sibius am ehemaligen Gebäude unserer Partnerschule. In Sibiu sagen die Menschen einfach "am alten Päda", welches heute von der Stadt als eine besondere Ausstellungsfläche vermietet wird. Uns interessiert allerdings weniger die zeitgenössisch-moderne Kunstausstellung, als vielmehr die derzeit exklusiv für Besucher geöffneten Katakomben aus der Zeit des Gebäudes, als dieses noch ein Ursulinen-Kloster war. Etwa 30 Treppenstufen führen durch eine schmale Bodenluke hinab in das dunkle und erdfeucht riechende Kellergewölbe. An einem Durchgang werden gothische und barocke Wand- wie Deckenverzierungen erklärt, bevor es zu den Grabstädten der ehemaligen Schwestern des Ordens geht, die hier in den Katakomben ihre letzte Ruhestädte fanden. Neben einer dieser Grabstädten - wieder so eine Begegnung die sich auf solchen Reisen ergeben - komme ich mit einem Herrn ins Gespräch, der als kleiner Bub selbst Schüler des Pädas war und in den 1960er Jahren heimlich mit Freunden in die verbotene Unterwelt hinabgestiegen war. "Die Lehrer verschwiegen uns immer, dass es hier sowas gibt, obwohl die Leute draußen es alle wussten", so der Mann, der als Sohn eines deutschen Einwanderers in den 1970er Jahren mit Vater und Bruder nach Köln Reißaus nahm, da die Situation für Rumänendeutsche bzw. Siebenbürger Sachsen unter Diktator Nicolae Ceausescu nicht mehr erträglich erschien. "Als Buchhändler am kommunistischen Fließband zu stehen, das wollte mein Vater einfach nicht". Und dann weiß der Kenner noch: "Ein Lehrer wurde sogar aus dem Schuldienst entlassen, weil er mit Kindern den verbotenen Keller besichtigen wollte". Für ihn als ehemaliger Schüler wie für uns ist dies eine besondere Führung an einen Ort, der Ende September für Besucher wieder dauerhaft geschlossen wird, damit die Schwestern weiter in Frieden ruhen können, wie man auf den meisten der Grabinschriften lesen kann (RIP).

Nach diesem historischen Ausflug in die Unterwelt ziehen wir am Nachmittag in das weitläufige Freilichtmuseum Sibius weiter. Neben alten Holzkirchen der rumänisch-orthodoxen Christen kann man auch alte Bauernhäuser, Heuspeicher und Windmühlen bestaunen, wenn es nicht gerade, wie bei unserem Besuch, regnerisch und kalt draußen ist. Deshalb zieht es uns alle in die Gaststätte des Museums, wo wir ein traditionell-rumänisches Mittagessen für die ganze Truppe bestellt haben. Gaumenfreuden für die Einen, gewöhnungsbedürftige Eigengeschmäcke für die Anderen werden uns da serviert. Zur Vorspeise eine sog. "saure Suppe" wahlweise mit Rind- oder Hühnchenfleisch, die beide den deutschen Eintöpfen in nichts nachstehen. Zum Hauptgang dann aber eine breite Spanne zwischen Genuss und "anerkennender Höflichkeit", denn während Maisbrei noch den meisten hungrigen Gaumen erfreute, schieden sich an der rumänischen Art des Cevapcici, dem sog. "Mici" die Geschmacksgeister, welches einen ganz eigenwilligen Geschmack von Lammfleisch und "Zoohandlung" (Zitat Max) aufweist und bei den meisten Essern nur in Kombination mit viel Senf die Magengrube füllt. Als weitere Beilagen gibt es Käse und rumänische Essigtomaten. Beim leckeren Dessert "Papanasi" hingegen lasse ich an diesem Mittag keine zwei Meinungen zu und trete glücklich und gesättigt mit der ganzen Gruppe die Heimreise über das Hinterland Sibius an, um "by the way" noch die älteste Kirchenburg der Region in Michelsburg zu erspähen und einer der am aufwändigst renovierten in Heltau einen kurzen Besuch abzustatten. 

Die letzten Tage waren lang und anstrengend. Heute ist definitiv und wohlverdient früher Schluss. Punkt.

von unserem Blogger
Frederick Fisher

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